Die Mutprobe im Warren Nationalpark

Die Blase drückte und draußen war es bereits hell: Zeit aufzustehen.

Eingepackt in zwei warme Decken und vier Kissen, hatten wir trotz oder gerade wegen der Kälte eine umso kuschligere Nacht im Warren Nationalpark verbracht und herrlich geschlafen.

Obwohl wir uns jetzt fühlten wie zwei Mäuse, die einen warmen, weichen Bau aus Watte verlassen mussten, war es Mal wieder wundervoll mitten in der Natur aufzustehen. Die kalte, klare Morgenluft einatmen, wie an einem Herbstmorgen in Deutschland. Nur, dass wir in Western Australia waren.

Ich weiß nicht mehr um wieviel Uhr wir aufgestanden sind, aber es muss früh gewesen sein. Denn morgens trödelten wir meist ziemlich rum. Gemütlich ein Käffchen schlürfen, Obst fürs Frühstück schnipseln, dann Frühstück, dann zweites Käffchen. So sahen die meisten unserer Morgen aus. Trotzdem schafften wir es an diesem Tag um 7:30 mit einer Wanderung in einen super aktiven Tag zu starten. Auf ging’s!

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10 km ging es zunächst am Warren River entlang, dann weiter bergauf durch einen schönen Wald voller Karribäume, wieder bergab mit Ausblick auf den Fluss, bis wir wieder an unserem Campingplatz ankamen.

Die Aussichtsbäume West Australiens

Auf dem Weg kamen wir am Dave Evans Bicentennial Tree vorbei. Einer der Aussichtsbäume, für die diese Region unter anderem bekannt ist. Die hohen Karribäume wurden früher zum Ausschau halten nach Waldbränden genutzt. Zu diesem Zweck hat man große Nägel helixförmig den Baum hinauf hineingeschlagen, so dass man über diese, ganz ungesichert, nach oben steigen konnte. Um Ausschau zu halten eben.

Heute werden die Bäume nicht mehr als Ausgucke, sondern eher zu touristischen Zwecken verwendet. Drei von ihnen – neben dem Dave Evans Bicentennial Tree gibt es noch den Gloucester Tree und den Diamond Tree – dürfen erklettert werden.

Der höchste von allen: Der Dave Evans Bicentennial Tree

Der Dave Evans Bicentennial Tree ist dabei mit seiner Plattform auf einer Höhe von mindestens 65 m der höchste von allen dreien. Wieso schreibe ich mindestens? Weil das eine Schild vor Ort 65 m und das andere 75 m besagte, daher wissen wir das nun nicht genau. Wikipedia hält zur 75 m Version. Ist ja auch egal, er ist jedenfalls ordentlich hoch.

Vor allem dafür, dass man ihn einfach auf großen Nägeln, ungesichert erklettert. Immerhin gibt es eine Art Netz am Rand, für ein kleines Gefühl von Sicherheit. Unfälle gab es bisher keine beim Erklettern der drei Bäume, sagen die Ranger.

Beim Dave Evans Bicentennial Tree handelt es sich eigentlich nicht um einen Original-Ausguck-Baum. Er wurde erst 1988, im Rahmen der 200-Jahr-Feier der europäischen Besiedelung, zum Ausguck. Dieser konkrete Baum wurde aufgrund seines fantastischen Ausblicks auserwählt.

Die Mutprobe für Einheimische und Touristen

Heute, wie gesagt, sind die Bäume eher eine touristische Attraktion. So gesehen ist es ein „Must Do“ dieser Gegend, sich zu beweisen und einen dieser Bäume zu erklettern. Ohne Sicherung. Nur Du, der Baum und die Nägel. That’s all.

Ja und der Wind. Auf den sollte man auch achten. Die oberen Plattformen des Dave Evans Bicentennial Tree können bei starkem Wind nämlich bis zu 1,5 m zur Seite schwingen. Muss man nicht haben, bei dem mulmigen Gefühl, das man sowieso schon hat, wenn man dort oben steht.

Beim Diamond Tree sind die Nägel mit etwas größerem Abstand zueinander eingeschlagen als beim Dave Evans Bicentennial Tree. So wurde es uns jedenfalls erzählt. Das heißt wenn du fällst, fällst du durch. Schwupps. Haben wir selbst nicht verglichen, ob der Unterschied so groß ist. Uns hat ein Baum gereicht, um unsere Höhenangst herauszufordern.

Wir stellten uns der Mutprobe

Dafür suchten wir uns also den Dave Evans Bicentennial Tree, den höchsten Baum von allen dreien aus. Auch wenn wir glaubten, dass wir es nicht rauf schaffen würden – irgendwie werden wir beide mit dem Alter immer empfindlicher was Höhen betrifft – wollten wir es mal probieren.

Als wir vor dem Baum standen, waren wir erst mal überrascht. Irgendwie hatten wir hier mit einem wuchtigen, breiten Baum gerechnet. Immerhin hält dieser in seiner Baumkrone eine Plattform von rund zwei Tonnen.

Was wir vorfanden, war ein Baum, auch nicht dicker als die ganzen anderen Bäume hier. Er stach überhaupt nicht aus der Menge heraus. Erst von Nahem bemerkten wir, aufgrund der Nägel, dass es sich um den Aussichtsbaum handeln musste.

Wir waren beide ganz schön nervös, als wir da so unten standen und den Baum hinauf schauten. Obwohl es aus der Perspektive ja noch nicht ganz so schlimm aussah.

Zuerst Christoph

Christoph war als erster dran den Aufstieg zu versuchen.

Sobald du ein paar Meter raufgekraxelt bist, merkst du wie die Nägel nachgeben, dir schwindelig wird von der Konzentration und dem Krabbeln im Kreis. Unter dir siehst du nur Luft und dann den harten Boden. Dir wird ganz mulmig. Kein einfaches Unterfangen.

Christoph musste daher leider aufgeben. Das Besteigen ist wirklich eine harte Nuss. Wie hart merkt man tatsächlich erst, wenn man die erste Helix erklettert hat.

Dann war ich dran

Aber zuerst kam noch ein älteres Pärchen. Als ich sah, wie die beiden gemütlich einfach einen Nagel nach dem anderen raufgingen, dachte ich nur: „Respekt“. Aber es machte mich auch für meine bevorstehende Aufgabe lockerer.

Ich bin ja ganz gut im Beobachten und nachmachen. Also machte ich es wie sie. Einen Nagel nach dem anderen. Fokus auf den nächsten Nagel setzen und gar nicht auf das was unter dir liegt.

Und wieder muss ich euch mit dem Film „Findet Dorie“ bzw. „Findet Nemo“ belästigen. Denn so wie Dories Motto in Angstsituationen „einfach schwimmen, einfach schwimmen“ war, so war meines in dem Moment „einfach klettern, einfach klettern“. Das half.

Einfach machen, nicht weiter darüber nachdenken und ja nicht stehen bleiben. Ich glaube anders kann man es nicht schaffen. Und damit war die erste Hürde geschafft.

Erste Plattform erreicht

Auf 25 m Höhe. Puuuh. Kalten Angstschweiß wegwischen.

Aber damit war nicht mal die Hälfte des Weges geschafft. Und ganz ermutigend begrüßte dich noch ein Schild, dass dir zwar gratulierte, aber auch sagte, dass das bisher der einfachere Teil war. Na super. Großer Kloß im Hals. Schluck.

Ich wartete erst eine ganze Weile bis ich mich weiter traute. Dann wusste ich aber auch nicht wann die Herrschaften von oben wieder runter wollten. Das wäre das Schlimmste, mitten auf dem Weg jemandem zu begegnen. Ich schaute, wartete, hmm hilft nichts. Ich rief also hoch, dass ich jetzt kommen würde, in der Hoffnung, dass sie es hörten und ging los.

So schlimm war der zweite Teil dann auch nicht, wenn man schon den ersten geschafft hatte. Aber die Hürde weiter zu gehen, war eben sehr groß. Immerhin war das nächste Stück fast doppelt so lang und ohne Plattform zum Nerven beruhigen dazwischen. Wobei diese wacklige Holzebene bei Höhenangst auch nicht unbedingt beruhigend wirkte.

Das nächste Stück war länger und jetzt merkten meine Beine, dass es ja auch Sport war, was sie hier machten. Immerhin stiegen sie gerade 75 m einen Baum hinauf. Gar nicht so unanstrengend. Zum Angstschweiß gesellte sich daher auch Anstrengungsschweiß.

Auf dem letzten Abschnitt waren die Nägel, aufgrund der Äste, sehr unregelmäßig eingeschlagen, keine schöne Helix, der man im „einfach klettern, einfach klettern“ Trott folgen konnte. Dafür durfte ich über Äste krabbeln, bis ich dann endlich die unterste der Baumwipfel-Plattformen erreichte.

Zweite Plattform erreicht

Nur noch zwei Leitern – die übrigens nicht minder schlimm waren als die Nägel – trennten mich von der obersten Plattform. Die älteren Herrschaften, die vor mir hochgegangen waren, begrüßten mich und machten sich gerade auf den Weg hinunter. Hätte ich die beiden nicht unten so locker flockig raufgehen gesehen, ich glaube ich hätte den Aufstieg nicht geschafft. Danke ihr beiden.

Nun war ich da, ganz oben angekommen.

Die Aussicht war herrlich, das Gefühl ganz oben zu sein mulmig. Ich sah ein grünes Meer aus Baumwipfeln vor mir und Dünen in der Ferne. Nur das unangenehme Gefühl, dass ich das ganze Stück ja jetzt auch noch wieder runterklettern musste, versaute mir die Aussicht.

Den Fotoapparat konnte ich für die Kletterei leider nicht mitnehmen. Ich wollte möglichst nichts, was mich nur irgendwie behindert hätte, anhängen haben. Daher blieb ich nicht lange und ging wieder runter.

Mutprobe geschafft!

Der Tag war aber noch lange nicht vorbei! Mit so viel Adrenalin im Blut, musste noch mehr erkundet werden.

Erlebe mit uns die Weite der Dünen des D’Entrecasteaux Nationalparks!

Liebe Grüße Anna & Chris!

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4 Comments
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Susi
6 Jahre her

Oh mutige Anna!!!!

Gabriela De
6 Jahre her

Unglaublich, wie spannend du deine Eindrücke beschreiben kannst! Es ist so lebendig. Hab mit dir gefiebert beim klettern, hab mit dir die Autos im Sand beobachtet… Danke